Die Gemeinde Bilshausen mit ihrem jungen Bürgermeister hatte sich entschieden, einen anderen Weg jenseits der Samtgemeinde Gieboldehausen zu suchen. Es war zugegebenermaßen ein ehrgeiziger Versuch, ein alternatives kommunales Konstrukt zu entwickeln. Und das, so stellte man sich vor, könne doch aus den Mitgliedsgemeinden Bodensee, Krebeck, Renshausen, der Einbeziehung von Lindau und möglichst auch noch von Gillersheim bestehen. Nicht ausschließen wollte man sogar einen Anschluss der Gemeinde Wulften, die damals und noch bis 2016 Teil des Landkreises Osterode/Harz war. Wulften war insofern ein geschickter Schachzug, als dann die ehemalige Berufsschule am Bahnhof in Bilshausen der zentrale Verwaltungssitz für diese Gemeinden hätte werden können. Zwar hatte sich Wulften dazu definitiv nicht positiv geäußert, aber grundsätzlich ausschließen wollte der Bilshäuser Gemeinderat eine solche Erweiterung nicht. Diesen Vorschlag jedoch lehnte der Gemeinderat Lindau jedenfalls zum jetzigen Zeitpunkt ab. Die Gemeinde Lindau wollte natürlich selber Verwaltungssitz werden. Stillstand drohte. Lindau war gespalten – auch im Gemeinderat. Es gab eine starke Gruppe, die sich pro Landkreis Northeim ausgesprochen hatte, dem man sich zugehörig fühlte. Zudem läge der Kreissitz in Northeim deutlich näher, als der alternative Kreissitz in Göttingen es war. Dagegen gab es aber auch Widerstand. Immerhin hatte der Gemeinderat Lindau einen Anschluss an Northeim bereits am 11.1.1970 mit 9 : 4 Stimmen empfohlen – in geheimer Abstimmung.

Im Göttinger Tageblatt vom 29.1.1970 bedauert die Katholische Kirchengemeinde die Meinung des Lindauer Bürgermeisters und einiger Ratsherren, „…dass konfessionelle Dinge für sie bei dieser Entscheidung ohne Wichtigkeit seien….. Durch den Anschluss der Fleckengemeinde nach Northeim würde die katholische Gemeinde in eine Diaspora hineingegeben werden…. Nach einem Anschluss …. sieht man auch die katholischen Feiertage als in Frage gestellt an….. Auch sei die Teilnahme der Schulkinder an den katholischen Feiertagen fraglich, da diese konfessionell anders strukturierte Schulen besuchen würden.“ Die Kirchengemeinde in Lindau gab daher Bilshausen den deutlichen, religiös argumentierenden Vorzug. Klare Aussage, klares Argument. Allerdings von der Kirchengemeinde, nicht von der politischen Gemeinde. Die tickte anders.

Die Gemeinde Bilshausen nahm deren klare Position zur Kenntnis, ohne jedoch auf den eigenen Versuch zur Gründung einer gemeinsamen Samtgemeinde zu verzichten und bekräftigte am 21.8.1970 in einer Stellungnahme an den Landkreis Duderstadt ihr Ansinnen, eine Samtgemeinde Bilshausen zu konstituieren. Verhandlungen mit Wulften, so der Bürgermeister, liefen. Die neue Samtgemeinde hätte in dem vorgeschlagenen Zuschnitt eine Einwohnerzahl von 8082 Einwohnern. Um dem Ansinnen etwas Glaubwürdigkeit mitzugeben, bat man die betroffenen Gemeinden um entsprechende Ratsbeschlüsse. Der Gemeinderat Renshausen sagte dem Projekt am 20.8.1970 seine Unterstützung zu, die Gemeinde Krebeck entschied sich am 21.8.1970 ebenfalls für den Bilshäuser Vorschlag. Dabei blieb vorerst noch offen, ob es sich um eine Samtgemeinde oder eine Gemeinde handeln würde. Katlenburg – für Lindau potentiell die Alternative zur (Samt-)Gemeinde Bilshausen - hatte sich bereits für eine Einheitsgemeinde entschieden.

Ein knappes Vierteljahr und einige Verhandlungsrunden später trafen sich die Verwaltungsausschüsse von Bilshausen, Bodensee, Gillersheim, Krebeck, Lindau, Renshausen und Wulften und unterzeichneten folgende Erklärung: „Die Gemeinden Bilshausen, Bodensee, Gillersheim, Krebeck, Lindau, Renshausen und Wulften erklären sich bereit, vorbehaltlich der Zustimmung ihrer Räte eine Samtgemeinde zu bilden, die am 1.1.1972 in Kraft treten soll. Es wird vereinbart, dass entsprechende Ratsbeschlüsse bis zum 15.12.1970 gefasst werden. Als Sitz der Verwaltung der Samtgemeinde wird die Gemeinde Bilshausen – Schule am Strohkrug - festgelegt. Die zu bildende Samtgemeinde wünscht den Anschluss an einen späteren Kreis mit Sitz in Northeim.“ Das war jedenfalls neu: Der Flecken Lindau verzichtete auf den Verwaltungssitz, Bilshausen und seine eichsfeldischen Nachbargemeinden sprachen sich für einen Anschluss an den neu zu bildenden Landkreis Northeim aus!

War das ernst gemeint? Die Beantwortung dieser Frage ist nicht leicht, aber es wurde in der Zeit der Gemeindereform auch eine Kreisreform durchgeführt. Und in diesem Zusammenhang kam es ja zur Auflösung der Landkreise Hann. Münden und Duderstadt und deren Integration in den neu gegründeten Landkreis Göttingen. Im Falle von Northeim waren viele Beteiligte damals ohnehin der Meinung, es werde nach der Verwaltungsreform keinen Kreis Northeim mehr geben, vielmehr könnte der auch in einem Großkreis Südniedersachsen(!) aufgehen. Insofern also wäre es nur ein taktisches Argument gewesen. Aber immerhin: Die Möglichkeit einer Eingliederung dieser eichsfeldischen Gemeinden in einen Landkreis Northeim war praktisch gegeben und offenkundig zustimmungsfähig. Nun musste diese Lösung nur noch umgesetzt werden. Spielt die Landesregierung mit?

Demnächst Teil III