Der Ortsverein Friedland hat sich intensiv mit dem Rententhema befasst und dazu ein Papier erarbeitet, das wir wegen seiner grundsätzlichen Bedeutung hier einstellen, um dadurch vielleicht auch eine Diskussion unter uns entstehen zu lassen.

Warum eine Rentenreform notwendig ist!


Impulspapier
des Ortsvereins Friedland der SPD zur Reform der Rente


Der OV Friedland hat sich in Workshops und einer Veranstaltung mit Teilnehmerinnen u.a. aus dem Gewerkschaftsbereich und dem Bereich der Wohlfahrtspflege ausführlich und sorgfältig mit dem Thema „Rente“ befasst. Als Ergebnis dieser Arbeit stellen wir folgende Forderungen zur Reform der gegenwärtigen Rente:
Rentenniveau = 50 % des durchschnittlichen Nettoverdienstes vor Steuern.
Beitragserhöhung für Arbeitgeber und Arbeitnehmer um mindestens 4 %, d.h. jeweils 2 % für beide, verteilt über mehrere Jahre bis 2030.
• In den Zeiten, in denen es deutlich mehr RentnerInnnen gibt als BeitragszahlerInnen, sorgt ein Staatszuschuss für Ausgleich.
• Es soll Transparenz hergestellt werden darüber, wie hoch der Staatszuschuss zum Ausgleich der demographischen Entwicklung tatsächlich ist, ausgedrückt als prozentualer Anteil am BIP. Gleichzeitig sollen auch alle anderen sog. versicherungsfremden Leistungen ausgewiesen werden, die nicht durch Beiträge gedeckt sind, wie z.B. die Mütterrente.
Riesterrente und betriebliche Altersvorsorge entfallen als Säulen zwei und drei des Rentenkonzepts. Sie können als private Rentenverträge nach Belieben, aber nur zusätzlich zur staatlichen Rente und ihrer Beitragsfinanzierung abgeschlossen werden. Bestandsschutz ist zu gewähren. Die bereits aufgesammelten Summen aus nicht mehr bedienten Riesterverträgen können in die gesetzliche Rentenversicherung eingezahlt werden.
• Nach einer erfolgten Grundentscheidung über das Rentenmodell sollten steuerfinanzierte Ausgleichszulagen bei Rentenbeginn für langjährig gering Versicherte als Sonderform eines Staatszuschusses in Erwägung gezogen werden.

Begründung

Vorbemerkung: Wir, die Mitglieder des Ortsvereins Friedland der SPD, sind der Meinung, dass jetzt nicht die gesamte Partei stillhalten sollte, nur weil einige ihrer Unterhändler sich vorzeitig auf die Kommission „Verlässlicher Generationenvertrag“ festgelegt haben. Es muss vielmehr eine Diskussion innerhalb der SPD geben und diese auch in die Öffentlichkeit getragen werden, so das deutlich wird, dass es außer dem Handeln des regierenden Teils der Partei noch andere Strömungen und Kräfte gibt, die bei einer Stärkung durch den Wähler auch zum Zuge kommen könnten. Sollten solche Vorschläge aber erst im neuen Grundsatzprogramm der SPD ihren Niederschlag finden, käme das zu spät. Insbesondere soll hier und jetzt deutlich gemacht werden, dass uns auch ein Zusammengehen mit den Gewerkschaften in Bezug auf das unserer Gesellschaft angemessene Rentensystem sinnvoll erscheint. Wir möchten mit diesem Vorschlag auch Partei- und Gewerkschaftsmitglieder in der o.a. Kommission sowie andere Mitglieder der Kommission ansprechen.


Politische Entscheidung oder wieder ein neues Rechenmodell aus der „Kommission verlässlicher Generationenvertrag“?

Schon in den Sondierungsgesprächen zur Großen Koalition haben sich SPD und CDU darauf festgelegt, dass es bis 2025 eine „doppelte Haltelinie“ in der Rentenversicherung geben soll: Das Rentenniveau soll bis dahin nicht unter 48 % fallen und die Beiträge nicht über 20 % steigen. Für die Zeit nach 2025 wurde eine Kommission „Verlässlicher Generationenvertrag“ gebildet, die Vorschläge für die nachfolgenden Jahre ausarbeiten soll. Dabei wird hier schon wie auch in vielen Medien der Eindruck erweckt, dass es sich bei der Festlegung künftiger Rentenprinzipien allein um die Abwehr „demographischer Gefahren“ handelt, deren Tragweite wie bei einem Naturgesetz einfach nur durchgerechnet und die dann “bekämpft“ werden müssten. Dass es sich bei der Auswahl eines Rentenmodells mit den jeweils enthaltenen Verteilungsprinzipien nicht um ein mathematisch zu ermittelndes Rechenmodell handelt, sondern um eine politische Entscheidung über die Verteilung von Reichtum und Armut in unserer Gesellschaft, wird dabei kaschiert.

Schon der Ausdruck „Generationenvertrag“ im Namen für die neue Kommission widerspricht den grundlegenden Konstruktionsprinzipen der staatlichen Rentenversicherung. Die Rentenversicherung ist ein staatlich organisiertes und beaufsichtigtes Umlageverfahren zwischen Arbeitenden, die Beiträge zahlen und denjenigen, bei denen der Versicherungsfall, der Wegfall der Erwerbsfähigkeit, eingetreten ist. Das Äquivalenzprinzip besagt, dass die Beschäftigten in dem Maße Anwartschaften auf Rentenzahlungen erwerben, in dem sie Beiträge einzahlen. Hier ist kein Raum für Sozialromantik etwa von der Art, das treusorgende Eltern mit geringeren Renten zufrieden sein sollten, um die nachrückende, zahlenmäßig geringere Generation nicht mit allzu hohen Beitragszahlungen zu belasten. Wenn mit dieser Begleitmusik an der Rentenformel herumgebastelt wird und ein sogenannter „Nachhaltigkeitsfaktor“ herauskommt wie Anfang dieses Jahrhunderts, ist höchste Vorsicht geboten: Worum geht es hier in Wirklichkeit? Wir von der SPD Friedland befürchten, dass es um den Versuch einer „Entstaatlichung“ der Rentenversicherung im Sinne einer neoliberalen Deregulierung geht: Erst wird die scheinbar rechnerisch sich ergebende Unfähigkeit der Rentenversicherung, verlässliche Rentenzahlungen zu garantieren, medial verbreitet und dann tatsächlich geschaffen, um anschließend immer größere Teile der Altersvorsorge der Jüngeren, die sich betrogen fühlen, in die Kapitaldeckungsverfahren des „freien Marktes“ der Versicherungen zu überführen. Das Ganze unter optimaler Geringhaltung der Lohnstückkosten, deren Wichtigkeit die Wirtschaft unablässig behauptet. Darüber hinaus suggeriert der Ausdruck „Generationenvertrag“, dass allein die Arbeitnehmer „schuld“ sind, dass die nachrückende Generation von Beitragszahlern jetzt und in Zukunft zahlenmäßig geringer ist als die der Rentner: Sie hätten nicht genug Kinder in die Welt gesetzt und hätten das durch Einzahlungs- und Auszahlungsveränderungen bei der Rentenversicherung nun entsprechend auszubaden. Es handelt sich bei den Bevölkerungsvorausberechnungen um statistische Prognosen, in die Annahmen einfließen, die nicht unbedingt über 42 Jahre unverändert bleiben müssen (2018 bis 2060). Dennoch werden diese Prognosen als „Demographiefalle“ dramatisiert. Das Ganze sieht beispielsweise doch etwas anders aus, wenn man erfährt, dass laut OECD der Anteil der gesetzlichen Rentenversicherung am BIP in Deutschland im Jahr 2013 10 % betragen hat, im Jahr 2035 12,1%, und sodann im Jahr 2060 12,7% betragen und danach wieder sinken wird. Auch dies sind Prognosen, die auf ähnlichen Annahmen beruhen – sie werden nur nicht so dramatisiert wie in unserer Rentendiskussion seit Beginn des Jahrhunderts üblich.

Gleichgültig aber, wie sehr uns u.U. ein Missverhältnis zwischen Beitragszahlern und Rentenempfängern eventuell drücken könnte, klar ist jedenfalls, dass Bevölkerungsentwicklungen der Vergangenheit wie der Zukunft immer auf äußerst komplexe und multikausale Entwicklungen zurückgehen, in denen die Kinderzahl nur ein Faktor unter vielen ist, der überdies nicht individuell den Arbeitnehmern anzulasten ist. Es handelt sich dabei typischerweise um eine Erscheinung, die in ihren Ursachen wie in ihren Wirkungen die ganze Gesellschaft betrifft und deshalb klassischerweise durch einen Staatszuschuss aus Steuermitteln ausgeglichen werden muss., sofern das notwendig wird.

Richtigerweise hat Hubertus Heil die „sehr großen Herausforderungen“, vor denen die Rentenversicherung angeblich steht, aber auch auf „Veränderungen der Arbeitswelt“ zurückgeführt. Tatsächlich ist der Niedriglohnsektor in Deutschland seit der Agenda 2010 massiv ausgebaut worden ebenso wie die Teilzeitbeschäftigung. Außerdem gab es über viele Jahre eine Lohnzurückhaltung der Tarifparteien. All dies hat die Einnahmen der Rentenversicherung deutlich vermindert. Sollte dieser Trend anhalten, könnte zwar auch das durch eine entsprechende Erhöhung des Staatszuschusses ausgeglichen werden, dieser würde dann aber mehr und mehr zu einer Subventionierung einer lockeren Arbeitsmarktpolitik nach Gusto der Unternehmer. Wir müssen unserer Forderung nach einem Staatszuschuss deshalb folgende Feststellung hinzufügen: Nichts mindert den notwendigen Staatszuschuss mehr und sichert die Renten Besser als eine angemessene Lohn-Beteiligung der Arbeitnehmer am Produktivitätsfortschritt. Sie könnte sogar dazu führen, dass gar kein Staatszuschuss mehr nötig ist. Durchzusetzen ist die angemessene Beteiligung der Arbeitnehmer am Produktivitätsfortschritt zwar nur durch sie selbst mithilfe ihrer Gewerkschaften. Es stünde einer Partei wie der SPD aber wohl an, auch hierzu einmal annahmenbasierte Prognosen zu berechnen und sie der drohenden „demographischen Gefahr“ gegenüberzustellen.


Der Staatszuschuss – ein Horror?

Es gibt ihn bereits, den Staatszuschuss aus Steuern. Es gibt sogar zwei: den allgemeinen und den zusätzlichen Bundeszuschuss. Der „allgemeine“ dient dem Ausgleich einer Differenz von Ein – und Auszahlungen der Rentenversicherung. Der „zusätzliche“ dient dem Ausgleich der Kosten staatlicher Sozialpolitik, soweit sie über die Rentenversicherung abgewickelt wird. Die Größenordnung beider Zuschüsse wird von interessierter Seite wie auch von einer unkritischen Presse als Horrormeldung inszeniert: Fast 68 Mrd. Euro betragen beide Zuschüsse zusammen im Jahr 2017, das seien – so die polemische Feststellung - fast ein Drittel des Gesamthaushalts der Bundesrepublik und fast zwei Drittel des Sozialetats des Arbeitsministeriums (FAZ). Das stimmt einerseits, andererseits ist der Eindruck ein ganz anderer, zumal für die statistisch nicht so versierten Zeitungsleser, wenn man die Summe zum Bruttonationaleinkommen (=BSP) ins Verhältnis setzt: Der Bundeszuschuss beträgt dann 2017 mit 67,8 Mrd. Euro nur etwas mehr als 2 % des BNP und 27,1 % der Gesamtausgaben der Rentenversicherung. Die Rentenversicherung sagt in ihrem Rentenbericht 2017 bei mittlerer Beschäftigungslage eine Erhöhung des Zuschusses auf 114,9 Mrd. Euro voraus (was in der Presse natürlich erst recht als drohende Keule vorgezeigt wird). Das sind aber immer noch nicht mehr als 27,9 % der Rentenausgaben und wären 2031 wahrscheinlich etwas mehr als 3 % des ja ebenfalls wachsenden BNPs. In dieser Perspektive wirkt eine gewisse Erhöhung des Staatszuschusses zum Ausgleich von Ungleichgewichten zwischen Ein- und Auszahlungen durchaus tragbar und sozial gerecht. Ein zusätzlicher Umverteilungseffekt zugunsten der Ärmeren in unserer Gesellschaft könnte sich dadurch ergeben, dass der Staatszuschuss direkt an Geringverdiener mit langer Arbeitsbiografie gezahlt wird, damit sie überhaupt in den Genuss einer Rente kommen können. Das wäre dann aber wohlgemerkt kein Ausgleich irgendeines Demographie-Problems durch den Staatszuschuss, sondern ein Ausgleich der Geringhaltung von Arbeitskosten im Interesse der Unternehmer, die das Rentendefizit verursachen. Hier müssten verschiedene Alternativen durchgerechnet werden, wenn erst einmal die Grundentscheidung „Stärkung der gesetzlichen Rentenversicherung ohne Einbeziehung der privaten Versicherungswirtschaft“ getroffen worden ist.

Beim jetzigen Staatszuschuss ist noch hervorzuheben, dass die rund 24 Mrd. Euro des „zusätzlichen“ Zuschusses mit der genuinen Aufgabe der Rentenversicherung absolut nichts zu tun haben. Diesen Leistungen stehen keine Beiträge gegenüber, sie stellen eine Verletzung des Äquivalenzprinzips der Rentenversicherung dar, finanzieren „versicherungsfremde Leistungen“ und müssten eigentlich aus Steuern finanziert werden. Daher das „Friedensangebot“ dieses öffentlich kaum diskutierten Staatszuschusses.


Der eigentliche Horror: Versicherungsfremde Leistungen

Es ist aber keineswegs sicher, dass die Kosten versicherungsfremder Leistungen tatsächlich durch den „zusätzlichen“ Staatszuschuss gedeckt sind. Da regierungsseitig mit Deckung durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts das Geld der Rentenkasse nach jeweiliger Einschätzung der Lage zur Erfüllung staatlicher Aufgaben hin und hergeschoben werden darf, ist keineswegs sicher, wie viel staatliche Sozialpolitik aus den Beiträgen der Rentenversicherten und wie viel aus Steuern finanziert wird. Das gilt sogar für den „allgemeinen“ Rentenzuschuss. Auch hier sind eine Reihe von Unschärfen gegeben, die anhand des Berichts der Rentenversicherung nicht oder nur mit unverhältnismäßigem Aufwand geklärt werden können. Prominentestes Beispiel sind die Kosten der deutschen Wiedervereinigung, die ganz ohne Zweifel eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe darstellten und aus Steuern hätten finanziert werden müssen. Stattdessen wurden die Beitragszahler der Rentenversicherung herangezogen und anschließend die dramatische Rentenreform vom Anfang dieses Jahrhunderts zur Schaffung einer „Demographiereserve“ inszeniert.

Wir fordern daher die Herstellung einer Transparenz bei den versicherungsfremden Leistungen im Rentenversicherungsbericht der Bundesregierung, teils um politisch ungerechtfertigte Finanztransaktionen zu identifizieren, vor allem aber um glasklar zu machen, wie viel Staatszuschuss aus Steuern legitimerweise wirklich zur Aufgabenerfüllung der Rentenversicherung im Sinne eines Ausgleichs von Ungleichgewichten zwischen Beitragszahlern und Rentenempfängern notwendig ist.

Warum sollte das Rentenniveau wieder auf 50 % der durchschnittlichen Nettobezüge vor Steuern angehoben werden?

Im Jahre 2000 lag das Rentenniveau bei 52, 9 %. Wer damals nach 45 Jahren in Rente ging, erhielt bei einem Durchschnittsverdienst von damals 23.341 Euro eine Netto-Rente von 1304,10 Euro. Heute dagegen würde der Rentner bei 48% Rentenniveau nur 1242 Euro bekommen. Bei einem befürchteten Rentenniveau von 43 % im Jahr 2020 würde die Netto-Rente lediglich 1113 Euro betragen. Ein Rentenniveau von 50 % dagegen würde im Jahr 2020 als monatliche Rente 1266,84 Euro bringen. Von 43 % auf die geforderten 50 % wäre das ein Unterschied von 153 Euro. Das Rechenbeispiel zeigt (bei modellmäßigem Ausschluss von gleichzeitigen Lohnsteigerungen), wie sehr die bewusste Senkung des durchschnittlichen Rentenniveaus die Rente jeweils schmälert. Besonders folgenschwer ist dieser Zusammenhang für Kleinst- Klein- und Mittelverdiener, die trotz 35 Arbeitsjahren infolge eines zu niedrigen Rentenniveaus und damit einer zu geringen Rente den mühsamen und entwürdigenden Weg in die Grundsicherung antreten müssen, der womöglich auch noch Einbußen an ihrem kleinen Vermögen mit sich bringt. Für alle diejenigen in dieser Gruppe, für die auch 50 % Rentenniveau nicht für das Erreichen einer eigenen Rente reichen, könnte an eine Variante des Staatszuschusses in Form steuerfinanzierter Ausgleichszulagen bei Rentenantritt, wie es sie in Österreich gibt, gedacht werden.

Warum ist eine Beitragserhöhung von jeweils 2 % bei Arbeitgebern und Arbeitnehmern ausreichend und sinnvoll?

Wenn heute – im Jahr 2018 - ein Rentenniveau von 50 % gefordert wird, ist das keine rentenpolitische Utopie – auch nicht angesichts des angeblich so dramatischen demografischen Wandels. Wir sympathisieren mit den Vorschlägen der Gewerkschaften (DGB; Verdi, IG Metall) von 2012, 2013 und 2016, durchgerechnet von der Deutschen Rentenversicherung: Wenn von (damals an gerechnet) die Beiträge von Arbeitnehmern und Arbeitgebern zur Rentenversicherung jährlich maßvoll von 18, 6% auf 22,5 % gesteigert worden wären bzw. in Zukunft würden, wäre es möglich, das Rentenniveau auf dem Stand von 50 % der durchschnittlichen Nettobezüge vor Steuern zu halten. Bei einem Wegfall der in die Rentenformel eingebauten Bremseffekte, die ein Durchschlagen von Lohnerhöhungen auf die Renten seit Beginn des Jahrhunderts verhindern, wäre eine solche Erhöhung auch für die Arbeitnehmer eine positive Entwicklung.

Beitragserhöhungen in der Rentenversicherung sind Arbeitnehmern auf den ersten Blick nicht sympathisch, bei einigem Nachdenken aber vielleicht schon. Für deutsche Unternehmen aber scheint eine Beitragserhöhung in der Rentenversicherung, die die Lohnstückkosten erhört, grundsätzlich von Übel zu sein, wenn man die veröffentlichten

Meinungen betrachtet. Mit einer „Gefährdung des Wirtschaftsstandorts Deutschland“ und der Infragestellung der internationalen Konkurrenzfähigkeit wird hier großes Geschütz zur Kritik aufgefahren. Die zur Zeit geltende sogenannte Haltelinie bei 20 % Rentenbeitrag bedient diese Interessen. Ist sie aber wirklich wirtschaftspolitisch zwingend? In unserem Nachbarland Österreich beispielsweise zahlen die Arbeitgeber 12,55 % und die Arbeitnehmer 10,25 % des Beitrags für die Rentenversicherung. Das macht einen Gesamtrentenbeitrag von 22.80 % des Bruttoverdienstes. Und das seit dem Jahr 2005. Einen negativen Einfluss dieser Tatsache auf das Wirtschaftswachstum Österreichs sucht man vergebens. Es lag im Jahr 2017 bei 2,9 % und damit um 0,7 % höher als in Deutschland. Die unternehmereigene Wirtschaftskammer Österreich prognostiziert für 2018 ein Wachstum von 3,9 %. Man darf eben den positiven Einfluss ordentlicher Einkünfte auf Arbeitnehmerseite – sei es aus Lohn und Gehalt, sei es aus Renten – auf den wirtschaftlichen Kreislauf nicht vergessen. Und die Renten sind ordentlich in Österreich: Das Rentenniveau liegt zurzeit bei 71 % des durchschnittlichen Bruttoverdienstes (wird anders berechnet als bei uns) und es gibt 14 Zahlungen (!) im Jahr. Das Rentensystem Österreichs ist dabei dem deutschen sehr ähnlich, nur dass es mit der 2005 erfolgten Reform einzig die staatliche Säule und ihr Umlageverfahren gestützt und auf jegliche Förderung von Kapitaldeckungsverfahren der freien Wirtschaft verzichtet hat.

Warum sollen Riesterrente und betriebliche Altersversorgung nicht Teil der Rentenversicherung bleiben?

Ein wesentlicher Antrieb für die Änderung der Rentenformel zu Beginn unseres Jahrhunderts in Deutschland dagegen war es, die Beiträge zur Rentenversicherung und damit die Lohnstückkosten zu senken. Zwar wird heute noch über den Wirtschaftsaufschwung, gejubelt, den dies und die anderen Maßnahmen der Agenda 2010 angeblich hervorgebracht haben. Tatsächlich setzte dieser Aufschwung erst sehr viel später und aus anderen Gründen ein. Die Beitragssenkung sollte aber auch auf Arbeitnehmerseite finanzielle Mittel freisetzen, aus denen der Eintritt in eine private Rentenversicherung finanziert werden konnte, was mit Staatszuschüssen (also Steuermitteln!) subventioniert wurde (Riesterrente). Aufgrund der damals noch etwas üppigeren Kapitalverzinsung mag dies manchem Arbeitnehmer als „gutes Geschäft“ erschienen sein, was aber angesichts der zu hohen Abschluss- und Verwaltungskosten und der Zinsentwicklung bald aufhörte. So haben die Versicherten sehr gut die Nachteile einer Kapitaldeckungsrente kennenlernen können und die Konsequenzen gezogen: die Möglichkeiten der Riesterrente sind bei weitem nicht ausgeschöpft worden – trotz Staatszuschuss. Die gesparten Beiträge sind stattdessen einfach nur der gesetzlichen Rentenversicherung verlorengegangen und mindern auf diese Weise die künftigen Rentenansprüche.

Auch die so genannte dritte Säule der Rentenversicherung, die betriebliche Altersvorsorge, bröckelt erheblich. Ihr früherer guter Ruf ist verloren gegangen. Einige Unternehmen müssen neuerdings ihre Auszahlungszusagen reduzieren, Arbeitnehmer und Arbeitgeber schaffen kaum noch Neuabschlüsse. Das bisherige Modell der Entgeltumwandlung bevorzugte zu einseitig die Arbeitgeber, die Steuern und Sozialbeiträge auf die vom Bruttolohn des Arbeitnehmers eingezahlten Vorsorgesummen sparen konnten. Bei den Arbeitnehmern folgte die Keule im Renteneintrittsfall: dann sind nach diesem Modell vom Arbeitnehmer zunächst gesparte Steuern und Sozialversicherungsbeiträge in voller Höhe nachzuzahlen, was die letztendlich ausgezahlte Versicherungssumme deutlichst mindert. Das Betriebsrentenstärkungsgesetz (BRSG) vom Anfang des Jahres 2018 verschlimmbessert dieses schon komplizierte Konzept. Was nun konkret gewollt wird, bleibt selbst für Experten zurzeit noch unklar. Selbst die Gewerkschaften, die mit Einbeziehung von Tarifvereinbarungen und möglichen Allgemeinverbindlichkeitserklärungen gelockt werden, halten sich in ihrem Urteil über das BRSG bisher bedeckt. Eines ist jedoch klar: Auch nach dem BRSG sollen vom Bruttolohn des Arbeitnehmers Beträge abgezogen und über den Arbeitgeber an kapitalgedeckte Pensionsfonds, Pensionskassen oder Direktversicherungen weitergeleitet werden, die dann also für eine Einzahlung in die Rentenversicherung verloren sind. Neuerdings soll man mit einer bAV auch „riestern“ können, so dass man sich auch auf diese Weise den nunmehr erhöhten Staatszuschuss zu Riester sichern kann. Auch hier haben wir also den Effekt, dass Beiträge von Arbeitgebern und Arbeitnehmern, die eben so gut in die gesetzliche Rentenversicherung fließen könnten, zur Versicherungswirtschaft umgeleitet werden – und das im Extremfall mit unternehmensseitiger und staatlicher Bezuschussung.

Es gibt nachgewiesenermaßen keine sicherere und billigere, daher renditeträchtigere Alterssicherung als die der gesetzlichen Rentenversicherung. Daher sollten alle Abflüsse von Lohnanteilen in private Versicherungen gestoppt und wieder als Beiträge in die Rentenversicherung eingebracht werden, die ein Rentenniveau von 50 % des durchschnittlichen Nettolohns garantiert. Sollte dieses Rentenniveau für Geringverdiener noch nicht ausreichen, um sie vor Grundsicherung zu bewahren, ist zu erwägen, ob der Staatszuschuss zum Teil direkt als Rentenaufstockung gezahlt wird.