Die politische Konkurrenz ist derzeit mit einem Antrag auf Senkung der Kreisumlage in allen Gemeinderäten des Landkreises unterwegs. Die Position der Fraktion wird sich in den Haushaltsverhandlungen in der Mehrheitsgruppe ab September herausbilden. Schon jetzt aber wird überall im Landkreis darüber diskutiert. Wir möchten euch ein paar Argumente an die Hand geben, damit ihr die Diskussion in den Räten mit Hintergrundwissen führen könnt.

Argumente zur Kampagne „Senkung der Kreisumlage um 2 Prozentpunkte“

Die Darstellung „Arme Gemeinden – reicher Landkreis“ ist falsch.

Nach unserer Kenntnis weisen nur noch 13 von 42 Gemeinden (inkl. Mitgliedsgemeinden von Samtgemeinden) in diesem Haushaltsjahr 2019 ein strukturelles Defizit aus, davon nur 5 mit über 100.000 Euro (8 Gemeinden liegen beim strukturellen Defizit 2019 deutlich unter 100.000 Euro, so dass im Haushaltsvollzug mit einem Ausgleich zum Jahresende gerechnet werden kann).

Mindestens die Hälfte der Gemeinden weisen erhebliche Überschüsse aus – teilweise betragen diese bis zu 26 % des Haushaltsvolumens!

Die Überschussrücklage des LK von 31,9 Mio. erscheint auf den ersten Blick hoch, sie muss aber im Verhältnis zum Haushaltsvolumen des Kreishaushalts von 618 Mio. Euro gesetzt werden, beträgt also ca. 5 %.

Die Stadt Göttingen verfügt unter Berücksichtigung ihres vorläufigen Jahresabschlusses 2018 bei einem deutlich niedrigeren Haushaltsvolumen in Höhe von 463 Mio. Euro über eine Überschussrücklage von 51 Mio. Euro. Das entspricht im Verhältnis etwa 11%.

Bei einer pauschalen Senkung der Kreisumlage würde vor allem die Gemeinden und Städte profitieren, die schon jetzt finanziell besser da steht als der Landkreis.

Der Landkreis hat seit der Kreisfusion die Gemeinden massiv entlastet und zwar um 8,8 Mio. Euro pro Jahr, dies entspricht etwa 2 Kreisumlagepunkten.

  • 3,5 Mio. Euro werden ausgewiesen durch die Anpassung (d. h. Absenkung) der Kreisumlage für die Gemeinden im Altkreis Osterode an das Niveau des Altkreises Göttingen für jedes Jahr ab 1.1.2017
  • 4,0 Mio. Euro für die KiTa-Entlastung pro Jahr (außer Stadt Göttingen); dadurch ergibt sich ab 2019 auch eine schrittweise zusätzliche Entlastung der Stadt Göttingen bei der Kreisumlage bis zu 1,3 Mio. Euro/Jahr ab 2021.

Um sich gegenüber finanziellen Risiken der Zukunft wappnen zu können, hat der Landkreis - genauso wie die Gemeinden - das Recht und die Pflicht, in guten Zeiten eine Überschussrücklage zu bilden.

Die Bildung einer Überschussrücklage ist im NKomVG ausdrücklich geregelt – und zwar für Gemeinden wie Landkreise. Eine „Rückzahlung“ von Überschüssen oder Rücklagen ist im kommunalen Haushaltsrecht nicht vorgesehen. Wenn die CDU ihre Argumentation im Hinblick auf die „Rückzahlung der Überschüsse“ selber ernst nehmen würde, müsste sie im gleichen Moment verlangen, dass die Gemeinden ihrerseits die Überschüsse an die Steuerzahler zurückzahlen.

Der Überschuss des Landkreises ist in Höhe von 16,6 Mio. Euro nur vorläufig und durch einmalige, in Folgejahren nicht wiederholbare Sondereffekte entstanden (z.B. durch die Abrechnung bei den minderjährigen Ausländern in Höhe von 3,5 Mio. Euro, rd. 11 Mio. Euro müssen als Haushaltsrest übertragen werden, da Maßnahmen und Projekte insbesondere durch hohe Auslastung der Wirtschaft nicht rechtzeitig begonnen werden konnten, was das Ergebnis 2018 entlastet hat, künftige Jahre aber belasten wird).

Der Landkreis ist keine Kommune zweiter Klasse. Er ist - wie die Gemeinden auch - Ansprüchen und Erwartungen der Bürger ausgesetzt. Gemeinden und Landkreis verfolgen legitime, auch durch die jeweiligen politischen Vertretungen gesetzte politische Ziele. Deshalb haben Landkreis und Gemeinden einen Anspruch auf die zusätzlichen finanziellen Spielräumen, um im Haushalt festgelegte Ziele umzusetzen.

Vor allem hat der Landkreis seine Pflichtaufgaben zu erfüllen und zu finanzieren. Überschussrücklagen sind zur Finanzierung von notwendigen Infrastrukturvermögen (z.B. Schulbauten) und von Fördermaßnahmen (z.B. im Bereich des ÖPNV) dringend geboten.

Der Landkreis hat keinen gigantischen Verwaltungsapparat aufgebaut. Das Gegenteil ist richtig. Allein 2018 hat der Landkreis 1 Mio. Euro Personalkosten eingespart. Auch daraus speist sich der Überschuss.

Die Antragsteller versuchen die Gemeinden gegen den Landkreis auszuspielen. Das schadet allen, den Bürgern, die zu Recht Leistungen des Landkreises erwarten, in der Jugendhilfe, im Jobcenter, bei der Betreuung von Familien, Menschen mit Handicaps, im Verbraucherschutz, im Bevölkerungsschutz u.a. Das schadet auch den Gemeinden, für die der Landkreis Leistungen erbringt, als Schulträger, bei der Bereitstellung der Infrastruktur, bei der Unterstützung von Senioren, Pflegebedürftigen und deren Angehörigen, bei der Sportförderung etc.

Der Landkreis ist entschlossen, seine Ausgleichsfunktion zu stärken und beabsichtigt, vorhandene Spielräume vor allem zur Entlastung finanzschwacher Gemeinden einzusetzen.

In einem Landkreis der extrem auseinanderlaufenden gemeindlichen Steuerkraft (von unter 400 Euro/Einwohner bis 1300 Euro/Einwohner) hat der Landkreis bei der Verteilung seine Ausgleichsfunktion ernst zu nehmen. Maßstab dafür ist weder die stärkste noch die schwächste Gemeinde, sondern der Durchschnitt der Gemeinden. Sollte sich zeigen, dass die Überschussrücklage des Landkreises höher ist als die der durchschnittlichen Gemeinde, ist der Landkreis bereit, nach diesem Maßstab zusätzliche Haushaltsspielräume für die Entlastung der Gemeinden zu verwenden.

Bevor der Landkreis allerdings nicht seinen Finanzbedarf für 2020 und die folgenden Jahre kennt, wäre eine Vorfestlegung einer Kreisumlagesenkung um 2 Prozentpunkte, mithin bis zu 8 Mio. Euro pro Jahr, fahrlässig und würde eine verantwortungsvolle Haushaltswirtschaft nicht mal im Ansatz erkennen lassen.

Nur zur Information:

Anstieg Steuerkraft Gemeinden seit 2016: +13,6%

Anstieg Schlüsselzuweisungen Gemeinden seit 2016: +27,6%

Der Landesdurchschnitt lässt Sonderregelungen, wie sie der LK Göttingen zu Gunsten seiner Gemeinden getroffen hat, völlig außer Acht.