Ein Text aus der "Zeit", der die Situation unserer Partei unvoreingenommen und einigermaßen fair von verschiedenen Seiten beleuchtet.

Worauf unzufriedene Sozialdemokraten hoffen

"Ein Weiter-so darf es nicht geben" – diesen floskelhaften Satz bemühen Vertreter vor allem der SPD in jüngster Zeit häufig. Er soll einerseits Druck auf die möglichen Regierungspartner von CDU und CSU ausüben. Andererseits ist er ein Signal an die eigenen Mitglieder, einem möglichen Koalitionsvertrag mit den Unionsparteien nur dann zuzustimmen, wenn sozialdemokratische Politik auch wirklich sichtbar wird. Nach den Koalitionsverhandlungen will die SPD ihre Mitglieder über den entstehenden Koalitionsvertrag abstimmen lassen. Das nützt ihr taktisch. Die SPD kann so in den Verhandlungen stets Druck auf die Union ausüben: Wenn ihr nicht einlenkt, stimmen unsere Mitglieder nicht zu.

Thema Bürgerkriegsflüchtlinge, Familiennachzug und Obergrenze

Für Bürgerkriegsflüchtlinge, die nur den eingeschränkten subsidiären Schutz erhalten, ist der Familiennachzug bis Mitte März 2018 ausgesetzt. In der Sondierung einigte man sich darauf, 1.000 Angehörigen pro Monat den Nachzug zu ermöglichen, den Familiennachzug also nicht komplett weiter auszusetzen, ihn aber auch nicht wie zuvor zu ermöglichen. Damit soll der Anreiz geschwächt werden, dass Familien ihre Kinder vorschicken, die dann die Eltern nachholen dürfen. Gefährder und Schwerkriminelle sollen ausgeschlossen sein.

Bis die angestrebte Koalition ein solches Gesetz beschlossen hat, soll die bisherige Regelung verlängert werden. Angestrebt ist dies bis Ende Juli 2018. In den Koalitionsverhandlungen strebt die SPD eine Härtefallregelung an, um mehr durchzusetzen als in den Sondierungsgesprächen.

Doch anders als oft dargestellt, gibt es bereits eine Regelung für Härtefälle: Das Auswärtige Amt kann nach Paragraf 22 des Aufenthaltsgesetzes Visa an Familienangehörige von Flüchtlingen vergeben. Ein Kompromiss mit der Union könnte darin bestehen, mehr Ausnahmen für Härtefälle zuzulassen.

CDU und CSU sind sich einig: Künftig sollen höchstens 200.000 Menschen im Jahr über den Weg der "humanitären Zuwanderung" nach Deutschland kommen dürfen. Allerdings: Das Asylrecht für politisch Verfolgte und die Verpflichtungen aus der Genfer Flüchtlingskonvention sollen nicht angetastet werden. Jeder, der als Flüchtling nach Deutschland kommt, soll hier auch künftig einen Asylantrag stellen können. Dass die Zahl von 200.000 trotzdem ungefähr eingehalten wird, soll nicht durch Zurückweisungen an der Grenze, sondern durch andere Maßnahmen – auch Einschränkungen beim Familiennachzug – gesichert werden.

Die SPD hat eine Obergrenze für Flüchtlinge stets abgelehnt. Allerdings bezog sie sich dabei immer darauf, dass das deutsche Grundrecht auf Asyl nicht eingeschränkt werden dürfe. Wenn die SPD den Unionsvorschlag akzeptierte, würde sie von ihrer Maxime abrücken, den Familiennachzug wieder zu ermöglichen.

Für Bürgerkriegsflüchtlinge, die nur den eingeschränkten subsidiären Schutz erhalten, ist der Familiennachzug bis Mitte März 2018 ausgesetzt. In der Sondierung einigte man sich darauf, 1.000 Angehörigen pro Monat den Nachzug zu ermöglichen, den Familiennachzug also nicht komplett weiter auszusetzen, ihn aber auch nicht wie zuvor zu ermöglichen. Damit soll der Anreiz geschwächt werden, dass Familien ihre Kinder vorschicken, die dann die Eltern nachholen dürfen. Gefährder und Schwerkriminelle sollen ausgeschlossen sein.

Bis die angestrebte Koalition ein solches Gesetz beschlossen hat, soll die bisherige Regelung verlängert werden. Angestrebt ist dies bis Ende Juli 2018. In den Koalitionsverhandlungen strebt die SPD eine Härtefallregelung an, um mehr durchzusetzen als in den Sondierungsgesprächen.

Doch anders als oft dargestellt, gibt es bereits eine Regelung für Härtefälle: Das Auswärtige Amt kann nach Paragraf 22 des Aufenthaltsgesetzes Visa an Familienangehörige von Flüchtlingen vergeben. Ein Kompromiss mit der Union könnte darin bestehen, mehr Ausnahmen für Härtefälle zuzulassen.

Thema Bürgerversicherung

Nach den Sondierungsgesprächen fand sich an der Basis praktisch kein Sozialdemokrat, der das Fehlen der Bürgerversicherung nicht beklagte. Selbst der Gesundheitsfachpolitiker Karl Lauterbach musste einräumen, dass seine Partei da nichts erreicht habe. Die SPD wird in den Koalitionsverhandlungen mehr rausholen müssen, um ihre Mitglieder zur Zustimmung zu einem möglichen Koalitionsvertrag zu bewegen. Ihr Ziel: Alle gesetzlich Versicherten und alle künftig zu Versichernden sollen in eine Bürgerversicherung einzahlen. Bisher privat Versicherte sollen sich entscheiden können, ob sie der Bürgerversicherung beitreten oder bei ihrer alten Kasse bleiben wollen. Auf diese Weise will die SPD die von ihr beklagte Zweiklassenmedizin in Deutschland abschaffen und die Finanzbasis der gesetzlichen Versicherung verbessern.

Die Union lehnt das ab. Ihr Argument: Der Wettbewerb zwischen den beiden Versicherungssystemen befördere den medizinischen Fortschritt. Allerdings könnten sich beide Parteien auf Verbesserungen für bisherig gesetzlich Versicherte einigen.

Einig ist man sich bei der Rückkehr zur paritätischen Finanzierung der Krankenversicherung. Künftig sollen die Beiträge wieder zu gleichen Teilen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern bezahlt werden. Zusatzbeiträge der Versicherten gäbe es dann nicht mehr. In der Union gab es einige, die Zusatzbeiträge nur deckeln wollten.

Einwanderungsgesetz

Die SPD will die Zuwanderung von Arbeitskräften aus Nicht-EU-Staaten erleichtern und neu regeln und fordert deswegen ein Einwanderungsgesetz. Auch die Union plant ein "Fachkräftezuwanderungsgesetz". Im Grundsatz war man sich in den Sondierungsgesprächen offenbar schnell einig, Streit könnte es aber über die konkrete Ausgestaltung geben.

Rente, Grundsicherung, Pflege

Das Rentenniveau soll bis 2025 auf dem derzeitigen Stand von 48 Prozent gehalten werden. Dafür soll die Rentenformel geändert werden. Die Stabilisierung des Rentenniveaus war eine wichtige Forderung der SPD. Viele Sozialdemokraten beklagen aber, dass die Renten in den kommenden Jahren sowieso auf diesem Niveau geblieben wäre.

Menschen, die Jahrzehnte gearbeitet, Kinder erzogen, Angehörige gepflegt haben, sollen nach 35 Beitragsjahren eine Grundrente von zehn Prozent oberhalb der Grundsicherung erhalten. Die Bezieher sollen in ihren selbst genutzem Haus oder Wohnung bleiben können. Allerdings ist an diese Grundrente eine Bedürftigkeitsprüfung gekoppelt, was viele Sozialdemokraten empört. Selbstständige sollen zur Altersvorsorge verpflichtet werden, entweder in der gesetzlichen Rente oder einer anderen Form.

Außerdem soll die Mütterrente erweitert werden. Mütter, die ihre Kinder vor 1992 auf die Welt gebracht haben, sollen künftig auch das dritte Jahr Erziehungszeit in der Rente angerechnet bekommen, heißt es in dem Ergebnispapier der Sondierung. Die CSU hatte auf diese "Mütterrente II" gedrungen. Die Deutsche Rentenversicherung hatte zuvor betont, eine Ausweitung der Mütterrente koste sieben Milliarden Euro und müsse aus Steuermitteln finanziert werden.

Die Arbeitsbedingungen und die Bezahlung in der Alten- und Krankenpflege sollen sich verbessern. Dazu soll bewirkt werden, dass Tarifverträge umgesetzt werden. Außerdem sollen 8.000 neue Stellen für Fachkräfte in Pflegeeinrichtungen entstehen. Die Verbesserungen der Arbeitsbedingungen in der Pflegebranche hatten auch alle anderen Parteien im Wahlprogramm.

Das Kindergeld soll um 25 Euro monatlich steigen, ebenso der steuerliche Kinderfreibetrag. Der Ausbau von Kitas soll vorangetrieben und Eltern sollen bei den Gebühren entlastet werden.

Für Familien mit niedrigem Einkommen soll der Kinderzuschlag erhöht werden; hier wird allerdings keine konkrete Summe genannt. Bislang erhalten Eltern, die brutto bis zu 900 Euro (Elternpaare) oder 600 Euro (Alleinerziehende) verdienen, pro Kind bis zu 170 Euro monatlich.

Mindestlohn, Teilzeitarbeit, sachgrundlose Befristung,

Der Mindestlohn spielt im Sondierungsergebnis nur auf europäischer Ebene eine Rolle. Von einem "Rahmen für Mindestlohnregelungen" sowie für nationale Grundsicherungssysteme in den EU-Staaten ist die Rede. Ob da noch Konkretes kommt, sollte sich in den Koalitionsverhandlungen zeigen.

Die Ausgangslage war, dass die SPD Ausnahmen für Langzeitarbeitslose abschaffen und den Mindestlohn deutlich erhöhen wollte. Die Union will den Mindestlohn dagegen entbürokratisieren, ihn also für Arbeitgeber einfacher handhabbar machen, indem zum Beispiel die Dokumentationspflichten vereinfacht werden. Dem entgegen steht die Befürchtung der SPD, es könnten weitere Möglichkeiten geschaffen werden, den Mindestlohn zu umgehen.

Viele Sozialdemokraten empört, dass die sachgrundlose Befristung von Arbeitsverträgen im Sondierungspapier nicht vorkommt. Das dürfte in den Koalitionsverhandlungen Thema werden. Derzeit dürfen Arbeitgeber ohne Angaben von Gründen einmalig für zwei Jahre befristet einstellen. Die SPD wollte vor allem die Zahl der Gründe, aus denen auch künftig eine befristete Einstellung möglich sein soll, beschränken. Die Union betont dagegen stets, Flexibilität auf dem Arbeitsmarkt sei wichtig.

Ein Recht auf befristete Teilzeit soll jedoch eingeführt werden. Dies hatte die SPD gefordert, um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu verbessern. Das Recht auf befristete Teilzeit soll allerdings nur bei Unternehmen mit mindestens 45 Mitarbeitern gelten. Das Recht auf Rückkehr in Vollzeit stand allerdings auch schon im Koalitionsvertrag von 2013.

Die SPD verkauft die Sondierungsergebnisse zum "sozialen Arbeitsmarkt" als Erfolg: Langzeitarbeitslosen sollen durch einen staatlich geförderten Beschäftigungssektor Perspektiven eröffnet werden, 150.000 Menschen sollen teilnehmen. Der Beitrag zur Arbeitslosenversicherung soll um 0,3 Prozentpunkte gesenkt werden.

Investitionen in Bildung, Kooperationsverbot, Ganztagsbetreuung

Der Bund soll künftig Investitionen in die Schulbildung mitfinanzieren dürfen. Dafür soll das Kooperationsverbot wegfallen. Bisher verbot es dem Bund, Aufgaben der Länder und Kommunen zu finanzieren, darunter die Schulbildung. Die Kultushoheit, also etwa über die Lehrpläne, bleibt bei den Ländern. Hier haben vor allem die unionsregierten Länder eingelenkt. Union und SPD lobten nach der Sondierung einhellig den "faktischen" Wegfall des Kooperationsverbotes.

Die SPD hatte sich für Milliardeninvestitionen in die Bildung und die Abschaffung des Kooperationsverbots ausgesprochen. Ersteres dürfte für die Union kein großes Problem sein: Sie zeigte sich bereits offen dafür, mehr Geld für Schulen und Universitäten auszugeben. Sogar von den zwölf Milliarden Euro, die SPD-Chef Martin Schulz schon im Sommer forderte, war bereits in den gescheiterten Jamaika-Sondierungen die Rede.

Die SPD will, dass Bildung von der Kita bis zur Uni nichts kostet. Die Union entsprach der SPD-Forderung, in Ganztagsschulen zu investieren und einen Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung im Gundschulalter einzuführen. Dabei werde man "bedarfsgerecht vorgehen", heißt es im Sondierungspapier.

Die Union hält eine generelle Freistellung von allen Gebühren nicht für sinnvoll, da diese schon heute nach dem Einkommen gestaffelt sind. Die beschlossene Ganztagsbetreuung soll allerdings im Rahmen von außerschulischer Betreuung, also in Horten, gewährleistet werden, da dies der einzige Weg ist, das Kooperationsverbot zwischen Bund und Ländern zu umgehen.

Haushalt, Steuern, Soli

Anders als von der SPD ursprünglich gefordert, soll der Spitzensteuersatz nicht erhöht werden. Viele Sozialdemokraten sehen das als Minuspunkt. Die SPD scheiterte mit ihrem Plan, den Steuersatz von 42 auf 45 Prozent zu erhöhen, ihn aber erst ab 60.000 Euro Jahreseinkommen greifen lassen, statt 55.000 Euro. Das sollte die Mittelschicht entlasten.

Die Union will den Bundeshaushalt weiter ausgeglichen gestalten, also ohne Neuverschuldung. Die SPD hatte dagegen im Wahlkampf viel polemisiert, bekannte sich in der Sondierung aber zu einem ausgeglichenen Haushalt ohne neue Schulden. Union und SPD gehen davon aus, dass sie auch ohne neue Schulden einen Finanzrahmen von bis zu 45 Milliarden Euro zur Verfügung haben.

Union und SPD wollen den Soli "schrittweise" abbauen, um zehn Milliarden Euro bis zum Jahr 2021. Beide Seiten loben, dass 90 Prozent der Soli-Zahler entlastet würden. Gezahlt wird er vor allem von Besserverdienern.